Mittwoch, 1. September 2010

Schokoladenkuchenexperience und andere Abenteuer (Luisa)

Ein Mann mit furchteinfloessendem Schnurrbart zerstoerte unsere Reisetraeume:
Ohne "letter of invitation" wollte er uns nicht 30 Tage in den Iran reinlassen, und bis so ein Wisch beantragt ist hat das Studium in Deutschland schon dreimal ohne uns angefangen.
Also bloss ein Transitvisum und nur 5-7 Tage im lang ertraeumten Persien!
Frustriert von diesem unmodischen Moechtegern-Tuersteher des Mittleren Ostens fahren wir nach Agra um Taj Mahal, dem angeblich "schoensten Bauwerk der Erde" seine touristische Gunst zu erweisen.

Ich fahre zum zweiten Mal in der (unfassbar guenstigen) zweiten Klasse im Zug, doch zum ersten Mal erlebe ich, wie Menschen sich uebereinander stapeln muessen, um mitzufahren, wie alte Maenner aus offenen Zugtueren kotzen, die fahle Gesichtsfarbe der zwischen Koffern, Armen, Baeuchen und Beinen Eingequetschten und meine eigene Atemnot. Hier kann jeder mitfahren, wenn er die Panik und das Geschrei aushaelt - und die Ellenbogen einzusetzen vermag.

Szenenwechsel: In Agra finden wir uns ploetzlich im nobelsten Hotel der Stadt wieder, gebettet auf Kissen in einem Pavillion auf dem Dach, umspielt von wehenden Gardinen und rieselnder Musik, zum ersten Mal seit Wochen und Monaten wieder biertrinkend. Der Couchsurfer, der uns hierher einlaedt, kennt den Besitzer.

Unsere Klamotten sind versifft und unsere Augen riesengross, als er uns danach auch noch in ein (fuer unsere Verhaeltnisse) todschickes Restaurant entfuehrt, wo die Waende diamanten glitzern und die Kellner Leckerbissen aus geschwungenen Schalen unterwuerfig auf dem eigenen Teller platzieren. Nennt man das Kulturschock? Das Restaurant hatte zu allem Ueberfluss diesen wunderschoenen Tuersteher (keine Wachsfigur!):


Tuersteher-mit-Bart
(Er gewinnt jeden Schnurrbartwettbewerb)

Pennen koennen wir bei unserem Schicki-Couchsurfer nicht, weswegen wir uns um 1 Uhr nachts auf die Suche nach einem Schlafplatz in den Gassen von Agra machen: Wir wollen nur 3 Stunden schlafen, um vier Uhr aufstehen und das Taj Mahal bei Sonnenaufgang leuchten sehen.

Wir finden die Dachterrasse eines Hotels und pennen bis die Muezzine uns mit ueberirdischem Gesang von den verstreuten Minaretten der umliegenden Moscheen wecken. Wir blinzeln in die Nacht; vom Dach aus sieht man das Taj Mahal wie eine weisse Erscheinung, der Vollmond schwebt unwirklich darueber, wir sind offensichtlich in einem Maerchen gelandet.

Obwohl bloede Polizisten mit riesigen Gewehren uns erst nach Sonnenaufgang reinlassen, stehen wir schliesslich wie benommen vor dem sich unwirklich am himmel abzeichnenden bluetenreinen Marmor und verstehen, warum es Touristenmassen hierher zieht. So fasziniert sind wir, dass wir uns mitten auf dem Asphalt neben dem Taj ausstrecken und ins Reich der Traeume uebergleiten... ein aussergewoehnlicher, doch unbequemer Platz fuer ein Nickerchen!

Taj-Mahal
(Waren wir tatsaechlich dort oder ist es nur eine Fototapete...? )


Zurueck in Delhi schlafen wir uns bei einem Couchsurfer mit 6 Hausangestellten und Chauffeur aus, der jede unbeobachtete Gelegenheit nutzt, uns Glaeser mit Wodka und Litschisaft in die Hand zu druecken. Auf jeden Fall haben wir die Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen sozialen Schichten in Indien am eigenen Leib erfahren!

Am naechsten Tag erleben wir unser blaues Wunder.

Ein Versuch der metaphorischen Beschreibung des Gefuehls dieses Tages (Copyright Polle): So, wie wenn man den ganzen Tag in der Wueste unmoeglichen Bock auf Schokoladenkuchen hat; und auf einmal kommt ein Fremder, drueckt dir ungefragt besagten riesigen, duftenden Kuchen in die Hand und sagt: "Na, haste Bock auf Schokoladenkuchen?" Ja, so war dieser Tag!

Alles fing an mit einer Erscheinung in der U-Bahn, die irgend etwas in der Luft verschob und am Schicksal drehte. Eine aeltere Frau in engelsweisser Kutte winkt mich auf den Platz neben ihr; Lachfalten spruehen in ihrem Gesicht, das Zeichen Krishnas vergoldet ihre Stirn. Sie ist Inderin doch spricht Englisch mit franzoesischem Akzent und singt so laut "Hare Krishna", dass die ganze U-Bahn bloed guckt. Sie lacht schallend, umarmt mich und schenkt uns Suessigkeiten, laedt uns in ihren Krishnatempel ein und verschwindet dann so schnell wieder geisterhaft in der Menge wie sie gekommen ist.

Nach ihr wurde alles anders. Wir gehen in die Botschaft denken, "na toll, dann eben nur fuer 7 Tage in den Iran". Da sagt der Mensch uns dort: "Sie wollen ein Transitvisum? Warum nicht ein 30-Tage-Visum? Dauert nur eine Woche. Ich organisier das." Ja geil, denken wir, wir kriegen es... aber ohne Paesse koennen wir nicht nach Pakistan und muessen weiter in Delhi rumhaengen! Da sagt der Mensch: "Hier sind ihre Paesse, der Stempel kommt in einer Woche". Zack, da war er, der Schokoladenkuchen! Die Freude brodelt hoch, wir koennen nach Pakistan! Zur Feier des Tages gibts ein Super-Deluxe-Special-Monster-Thali (indisches Menue)...


Golden-Tempel
(Pauls improvisierter Turban und der goldene Tempel)


Dann machen wir uns auf den Weg Richtung Grenze... Und erkunden davor die Wunder der Sikh-Religion, einer Art modernen Reform des Hinduismus, die das Kastensystem ablehnt und Maenner und Frauen als gleichgestellt ansieht. Eine ganz andere Stimmung durchflutet Amritsar, die Stadt der baertigen Sikhs mit ihren gewaltigen Turbanen, wallenden Baerten und furchteinfloessenden Saebeln - eine alte Kriegerkaste, die humane Ideale sowie harte Arbeit zum Grundstein ihrer neuen Religion gemacht hat. "Service to humanity is real service to God" lautet die Aufschrift auf einem Denkmal in der Innenstadt - der Unterschied zur Goetzenanbetung des Hinduismus scheint uns meilenweit.

Im goldenen Tempel vom Amritsar, dem wichtigsten Heiligtum der Sikhs in der Welt, weht ein anderer Wind als in allen anderen Gotteshaeusern, die ich je gesehen habe: In der Tempelkueche bereiten jeden Tag hunderte von Freiwilligen Umsonst-Essen fuer Angehoerige aller Schichten und Religionen; 24 Stunden leuchtet dort das Herdfeuer und auch wir kriegen unsere Portion Rotis und Dhal ab.

Essen-for-free
(Freiwillige schneiden Zwiebeln fuer die Tempelkueche)

"In Amritsar muss niemand hungern" sagt unser Sikh-Couchsurfer, der einen unglaublichen Turban traegt und in einem 200 Jahre alten Fort mit Zuchtpferden, Kuehen und Swimmingpool wohnt, das er umsonst Reisenden aus aller Welt zum schlafen und schwimmen ueberlaesst. Reshma, eine seiner Angestellten mit dreckiger Lache, drei Woertern Englisch und unbesiegbarem Temperament, wird unsere beste Freundin und wir streichen mit ihr einen halben Tag lang um die Pferdestaelle, melken die Kuehe und machen endlose Foto-Shootings mit ihr und ihren Homies...


Die-Gang

Luisas Gang auf "unserer" Farm in Amritsar


Pauls-Gang

... und Pauls Gang. Welche ist cooler?

Montag, 23. August 2010

Kurze Zusammenfassung: Lucknow - Delhi - Agra

Varanasi hinter uns lassend bewegten wir uns in der vergangenen Woche weiter auf Delhi und das Indien der Mogulherrscher zu.
Hinduistische und Buddhistische Tempel wurden abgeloest von grossartigen Palaesten und eindrucksvollen Moscheen. In Lucknow verbrachten wir drei Tage damit uns an dieses neue, saubere, in manchen Teilen fast friedlich wirkende Indien zu gewoehnen und uns an tollen Gebaeuden zu ergoetzen.
Ein Nachtzug liess uns schliesslich im pulsierenden Herzen Indiens ankommen. Delhi, von den Englaendern zur Hauptstadt gemacht, zeigte uns saubere Viertel, Reichtum, Stille, Glaspalaeste, moderne Zuege unter der Erde und... Kultur. Nachdem wir Stunden in Bussen und Botschaftsgebaeuden verbracht hatten bekamen wir nach fuenf Tagen endlich unser Pakistan Visum ausgehaendigt. Mit dem Plan im Kopf, zumindest ueber die Grenze nach Lehore zu reisen um ein wenig von diesem Land mitzubekommen, das seit Jahren nur wegen seinen Problemen mit Islamisten und nun der Flut in den deutschen Nachrichten erschienen war. Am Freitag rutschten wir dann vollkommen unvorhergesehen in eine asiatische Film- und Ausstellungswoche und freuten uns ueber gedanklich anspruchsvolle Filme und eine Ausstellung ueber Schattentheater in Asien.
Mit Delhi und seinem fuer Besucher nicht zugaenglichen Parlamentsgebaeude abschliessend zog es uns zu einem der beeindruckendsten Bauwerke der Welt. Das Taj Mahal, in der Millionenstadt Agra gelegen, verzauberte unseren Tag mit seinen vollkommen scheinenden weissen Mauern. Morgens vom Gesang der Muezine auf einer Dachterrasse geweckt, die wir mit viel Ueberredungskunst und wenig Geld ergattert hatten, liess uns das Grab der Mugalkoenigin trotz unvorstellbarer Muedigkeit in den Knochen nicht los. Romantisch nennen viele Besucher staunend das weisse Marmor. Vergessen sollte man aber nicht den geblendeten Architekten, die unglaublichen verschlungenen Geldmassen und die abgehackten Haende der Arbeiter. Verzaubernd schoen nenne ich es aber trotzdem.

Der Plan ist nun nach Punjab in das Land der Sihks zu fahren, um von dort aus nach Pakistan "ueberzusetzen". Von der Flut gestoppt wird es dann wieder nach Indien und zum Flughafen gehen und mit ein wenig Glueck in den Iran, den naechsten "Boesewicht" der Welt.

Samstag, 14. August 2010

Varanasi

GangesviewAlte-Menschen-GangesGuruHollandmenschenDaecher

Varanasi und Mutter Ganga

Nach Bodghaya und seiner buddhistischen Mystik zog es uns also weiter gen Westen. Wir verliessen Bihar und landeten in Utar Pradesh, einer Provinz, die bekannt ist durch seine Staedte Varanasi, Agra (das Taj Mahal steht dort), Allahabad und Lucknow.
Utar Pradesh war ueber Jahrhunderte unter muslimischer Herrschaft. Vor hunderten von Jahren machten sich persische Koenigreiche auf den Weg um nach Osten zu expandieren. Sie eroberten den noerdlichen Teil Indiens und erschufen auf der sprituellen Welt der dort lebenden Hindus beeindruckende Gebaeude und Stadtstrukturen. Trotz dieser muslimischen Herrscher blieb den Hindus ihr heiligster Ort : Varanasi.
Varanasi liegt am Ganges, dem gewaltigen Fluss, der Indien von Nordwesten bis hin nach ganz Osten durchzieht und als die Lebensader des Subkontinentsgilt. Dieser Fluss, so der Glaube der Hindus, fliesse direkt in den Himmel. Wenn also die Asche einer Leiche in den Fluss geworfen wird, wuerde der Geist der Person direkt in den Himmel kommen und dem Kreis aus Geburt und Wiedergeburt endgueltig endkommen.
Der Ganges spielt in der hinduistischen Mythologie aber noch eine weitere Rolle: Alle Hindus koennen sich in diesem Fluss von ihrem schlechten Karma reinwaschen. Ganga, die Mutter, die in Shiwas Haaren entspringt, reinigt das Kharma der Glaeubigen.
Varanasi ist somit eine der spirituellsten Staedte des Subkontinents. Jeder Hindu, der die Moeglichkeit bekommt, reist nach Varanasi, um dort zu Shiva, dem Zerstoerer zu beten, um die Zerstoerung von allem Boesen in seinem Leben zu bitten, und um ein wenig Gangeswasser ueber den heiligen Phallus zu giessen, der in der Mitte des goldenen Tempels im Boden eingelassen ist.

Wir verbrachten eine geschlagene Woche in Varanasi und haetten wohl noch einige Zeit laenger dableiben koennen. Wenn man sich mit dem Hinduismus auseinander setzen moechte, so ist das meiner Meinung nach der ideale Ort.
Die engen Gassen, die sich zum Flussufer hin immer mehr verzweigen und verwinkeln sind ein Hort fuer umherstreifende heilige Kuehe, langbaertige Gurus, Traeger von Toten, die die Namen der Reinkarnationen Shivas rezitierend dem Ganges endgegen laufen oder orangegewandeten Pilgerern (Orange ist die Farbe Shivas), die auf dem Weg zum goldenen Tempel sind.
Am Flussufer kann man dann Stunden damit zubringen, auf den Stufen der verschienden Ghats zu sitzen, um mit den Glaeubigen zu reden, ueber die goettliche Dreiteilung zu erfahren (Erschaffung -Brahman, Erhaltung - Vishnu, Zerstoerung - Shiva), ueber die Bedeutung, die Hanuman, der Affengott in der hinduistischen Mythologie erfaehrt (Ein Affe als Diener der Goetter) oder einfach nur dem Rauschen des gewaltigen Flusses zu lauschen. Die Stimmung dort gefiel mir. Am Himmel entlangeziehende Moewen gaben der Stadt ein wenig Meeresstimmung, die uralten Gebaeude und in den Himmel emporragenden Tempel uns Ahnung, wie es hier vor hunderten von Jahren ausgesehen haben mochte.
Vier Tage verbrachten wir nachdem wir aus unserer ersten Unterkunft ausgezogen waren, in einem ziemlich billigen Guesthouse fast direkt am Ganges gelegen. Das tolle war die Aussicht: Ausgestattet mit sieben Stockwerken konnten wir von unserem auf dem Dach platzierten Schlafsaal ueber die ganze Stadt blicken und das Leben auf den Haeuserdaechern verfolgen.

Da ich leider nicht viel Zeit habe fasse ich kurz die beiden, mich am meisten beeindruckenden Dinge zusammen (dafuer muss ich leider unseren Besuch im Affentempel, in der Uni, unser Streunen durch die Gassen und das Wissen das wir ueber den Hinduismus erfuhren, auslassen):
Zum einen war da die Zeremonie am Ganges. Es war bereits dunkel, als wir am Ganges zur uns empfohlenden Zeremonie aufmachten. Immer noch wateten Pilgerer durch die Gewaesser des Ganges und beteten, immer noch fuhren blitzlicht verursachende Touristen auf vollen Boten parallel zum Ufer.
Wir folgten den Geraeuschen und den Menschenscharen, die zum MainGhat stroemten. Dort angekommen erwartete uns ein Meer von Orange. Fasziniert dreinblickende Menschen, nach Gangeswasser riechend, blickten erwartungsvoll verzueckt zur Mitte, wo Priester standen und in uns unbekannter Sprache geradezu hypnotische Lieder sangen. Es gab einen Feuertanz und immer wieder wurde auf Rufen der Priester, deren Stimmen durch die Lautsprecher seltsam verzerrt und fremd klangen, ekstatisch in die Haende geklatscht. Es waren nicht ein paar Hunderte, sondern meiner Meinung nach tausende Menschen, die sich dort versammelt hatten und mir wurde bewusst, welch ungeheure Macht diese Priester in ihren Haenden hielten. Sie riefen nur : klatscht zu Ehren Shivas, doch was wenn sie, verbrennt alle Moscheen in dieser Stadt, gerufen haetten?
Vorher hatte ich das Gefuel, in dieser Religion zum ersten Mal eine total persoenliche individuelle gefunden zu haben. Diese Veranstaltung belehrte mich eines besseren.
Das zweite Beeindruckende, auch mit diesen Gedanken zusammenhaengende war naemlich die unglaubliche Polizeipraesenz, die sich um den heiligen Tempel aufbaute. Nahezu an jeder Ecke sass ein Polizist mit Gewehr und beobachtete das Treiben kritisch. Als wir einen von ihnen fragten, wie man zu der grossen weissen Moschee gelangen koenne erklaerte er uns nur, dass es "not good" sei und wir dort nicht hingehen sollten. Zwei Englaenderinnen erzaehlten uns, dass es in Agra, wo sie vorher gewesen waren, zu Unruhen gekommen war und kein Taxifaher sie zum Bahnhof bringen wollte. Der Grund: Ein Teil der Unuruhen richtete sich gegen Auslaender und ein Tuk Tuk mit Auslaendern im Gepaeck koennte in boese Schwierigkeiten geraten.
Nun, gleichermassen trafen wir jedoch auch wieder eine Menge ungemein netter Menschen, mit denen es sich wunderbar plaudern liess.

Samstag, 7. August 2010

Pakistan...

Ueber Pakistan ist die Flut hereingebrochen und scheint nicht nur den Traum von "ueber Land" sondern auch eine Menge Traeume der dort lebenden Menschen zu zerstoeren...

Darjeeling, Bodghaya - Ein paar Bilder

Luisa-DarjeelingNebelwaldPolle-und-MoenchDarjeelingDarjeelings-NebelwaelderBuddha

Freitag, 6. August 2010

Bodghaya - Ein erleuchteter Ort (?)

Nach unmenschlicher Kaelte, verwunschenen Waeldern und einem herzerwaermenden Ost-Asien Gefuehl trieb es uns wieder ins Tal.
Indien ist ein Hort schwer zu beschreibender Mystik, ein buntes unmoeglich zu durchrdringendes Gemisch aus Religion, Sagen, Fabeln, Vielfalt und Leben. Der Hinduismus, die groesste Religion in Indien, besitzt einen Goetterkanon von 30 Millionen Gottheiten. Jeder Mensch kann sich selbst ueberlegen welche Gottheit er wie anbetet. Religion, Kultur und Leben verschmelzen dabei zu einem scheinbar irrationalen Brei, der wohl einen Grund fuer die Anziehung bietet, die das Land auf den Westen ausuebt.
Aus dieser magischen Welt, von Wiedergeburt, Reinkarnationen und Goettern ist vor knapp 2500 Jahren eine Philosphie hervorgegangen, die das Leben als Leid sieht und einen Pfad vorgibt, dem Kreis von Geburt und Widergeburt zu entkommen: der Buddhismus.

Siddharta Gautama, ein indischer Prinz wandelte zu dieser Zeit durch eine Provinz, die nun Indiens Armenhaus darstellt. Im kleineren (ich wage nicht einen indischen Ort wirklich klein zu nennen) Bodghaya, in Bihar fand er schlussendlich unter einem Bodhi Baum die Erleuchtung. Seither ist dieser Ort der wohl heiligste des Buddhismus und unzaehlige vor allem asiatische Pilgerer kommen jedes Jahr hierher.

Von Darjeeling aus erkaempften wir uns mit harten Bandagen einen Platz im Schlafwagenabteil. Reisfelder ueber Reisfelder zogen an uns vorbei. Es erschien mir seltsam in diesem Land Hunger zu vermuten, doch indischer Reis wird eben nicht nur fuer die eigene Bevoelkerung verwendet. Europa zahlt einfach besser.
In den fruehesten Morgenstunden wurden wir aus dem Zug geschmissen. In Patna erwartete unsere mueden Geister ein famoses Hupkonzert, dass uns schnell in den naechsten Zug nach Gaya trieb.
Gaya war der eigentliche Grund unseres Trips zu seinem kleinen Bruder, Bodhgaya. Angezogen von der Mystik des Namens (Gaya, die Erde) hatten wir kurzerhand entschlossen dort eine Pause einzulegen. Die Gedanken noch in anderen Sphaeren wurden wir bei unserer Ankunft auf den Boden der Tatsachen zurueckgeholt. Gestank, Muell und Armut erwartete uns. Baeche, nach Pisse stinkend, giftiges Plastik vor sich hertragend, liessen mich meine Flip Flops verwuenschen. Fliegen, Fliegen und noch mehr Fliegen ueberzogen den Platz. Teetrinkend versuchten wir einen Taxifahrer zu einem angemessenen Preis zu bewegen, letzendlich vergebens, doch ich war froh weiter nach Bodghaya zu erfahren. Ich muss gestehen, dieser Ort hatte mich erschuettert und war wohl das krasseste was ich bisher in Indien gesehen hatte.
Bodghaya stellte keine Besserung dar - bis uns das Taxi vor den Pforten des Haupttempels hinauswarf. Die Stimmung aenderte sich schlagartig. Sorgsam geputzte Fliesen boten tiefsinnig dreinblickenden Moenche Boden, Souvenierverkaeufer versuchten CDs mit Mediationsmusik an den Mann zu bringen, Restaurants verkauften europaeisches und ost-asiatisches Essen. Wie eine kleine Insel kam uns der Platz mit seinen Laternen vor.

Unser Couchsurfer, ein junger Student namens Gautama,brachte uns fort von dieser ruhigen Insel in sein sauberes, relativ grosses Haus, das er zusammen mit seiner Mutter und seinen putzenden und kochenden Schwestern bewohnte.
Am Abend fuehrte er uns in den Tempel, den sie den "Maintemple" nennen. Zu Ehren Buddhas wurde er an der Stelle der Erleuchtung gebaut und strahlte eine Ruhe und Faszination aus, der sich auch der Backstreetboys und Britney Spears begeisterte Gautam nicht entziehen konnte. Betende Moenche, vor der Buddha Statue, ein wuchernder Bodhi Baum, der als Ableger des "Originals" gilt.

Nach langer, erschoepfter Nachtruhe machten wir uns am naechsten Tag auf, die restlichen Tempel des Ortes zu erkunden. Aufgrund der Geschichte dieses Ortes, liess sich keine groessere buddhistische Glaubensgemeinschaft nehmen, einen eigenen Tempel im Umkreis des Ersten zu errichten. Vom chinesischen zum Buthanischen, mit einem kurzen Abstecher zum Bengalischen, ueber den japanischen, tibetischen bis hin zum Thailaendischen Tempel erlebten wir die unterschiedlichsten Interpretationen der buddhistischen Lehre. Verschiedenste Bauarten, von praechtig vergoldet bis hin zur schlichten Einfachheit zogen mich in ihren Bann. Doch ein kleiner kritischer Geist in mir liess mich diese Erhabenheit nicht ohne Hintergedanken geniessen.
Wie kann es sein, fragte ich mich, dass so viel Armut, so viel Schmutz, so viel Hoffnungslosigkeit in dem kleinen Ort herrscht, wenn die Glaubensgemeinschaften gewaltige Tempelbauten errichten.
Wie kann es sein, fragte ich mich, dass nur die wenigsten Kinder und oft nur mit Hilfe einer Spendenabhaengigen Organisation zur Schule gehen koennen, wenn jedes Jahr, laut Gautam, unzaehlige Touristen den Ort mit Geld durchspuelen. Woher kommt dieser Verfall, wenn der Dailai Lama, jener im Westen so bewunderte Moench, fast jaehrlich nach Bodghaya reist, gewaltige Statuen einweiht und sich mit Hilfsorganisationen fotographieren laesst.
Wie wuerde eine christliche eine muslimische, eine hinduistische Pilgerstaette aussehen?

Um diesem Raetsel zu folgen stiegen wir nach wenigen Tagen in den Zug, der uns ins vier Stunden entfernte Varanasi bringen sollte. Einquetscht von hunderten Menschen in einem kleinen Abteil, unter Dauerbefragung nach unserer Herkunft, unserer Namen, unseres Alters und Verweise auf die Fussballnation Deutschland, erreichten wir nach einer spannenden, anstrengenden Fahrt Varansi. Es war bereits Dunkel und alle Rikschafahrer abweisend zogen wir zu Fuss zum Guesthouse los.
Varanasi ist die heiligste Stadt des Hinduismus, am Ganges gelegen, kommen taeglich tausende Pilger hierher um sich zu waschen oder um in diesem Fluss zu sterben.
Wer hier am Ganges stirbt kommt direkt in den Himmel, so die Legende.
Wir hoerten von Verbrennungen, von orangen Gewandeten Shivaanhaengern, von der Spiritualitaet die diesen Ort durchziehen soll.

Mit dem Gedanken an etwas laengeres Verweilen bin ich gespannt auf Varanasi.
In den naechsten Tagen gibt es dann auch wieder ein paar Bilder.

Donnerstag, 29. Juli 2010

Raus aus Kolkata, rein in den Luxus (Luisa)

Kalkutta war ein Gewuehl von Farben, ein fabelhaftes Moloch ohne Durchkommen, auf den Strassen haeufte sich der Kot seiner Menschen und der Schrott von Jahrzehnten. Wie ein Stadt auf Muell gebaut waechst sie immer weiter empor auf dieser Grundlage ohne jemals zu versinken. Sie scheint von innen zu verfaulen und sprudelt doch masslos ins Leben wie ein Ameisenhaufen voller Schicksale. Millionen Menschen sind es, die auf den paar wenigen Kilometern gleichzeitig ueberleben wollen - ein Haifischbecken der Evolution mit Chaiverkaeufern, Bettlern, Rikshafahrern, parfuemierten Haendlern... und wir mittendrin, mit grossen Augen, belebt, ermuedet, begeistert.
Kalkutta entwift nichtendenwollende Ketten von Fragen in meinem Kopf und macht Hunger auf mehr Indien, mehr Antworten, mehr Gespraechspartnern und definitiv mehr Chai-Tee... Weswegen wir uns nach knallharter fuenftaegiger Kalkutta-Dosis auf den Weg in die Teestadt Darjeeling machen.

Zwischenstopp ist in der "Kleinstadt" Siliguri (500.000 Einwohner), wo wir seit gestern couchsurfend im Haus eines hochgebildeten Arztes und seiner Familie unterkommen. Dessen hochinteressante, wennauch endlose Monologe ueber Brautgeld, indische Mythologie und Religionsgeschichte stillen unseren Wissendurst fuer den Anfang und schenken uns tiefen Erholungsschlaf. Abgesehen davon werden uns die knuddeligen Hausangestellten mit ihren taeglich 4 servierten Mahlzeiten und mehreren Tea-Times sicherlich bald erfolgreich zum platzen bringen. Verlaesst man diese luxurioesen vier Waende und geht nach draussen, prasselt die volle Intensitaet der Strasse wieder auf einen ein. Widerspruechliche Welten so nah beieinander... Das scheint Indien zu sein. Morgen geht es weiter nach Darjeeling...

Montag, 26. Juli 2010

Kolkata

Wenige Tage Indien und mir kommt es vor als waeren wir schon Wochen hier.
Kolkata gehoert zu den aermsten Staedten Indiens und der Welt. In den meisten Reisefuehrern nicht unbedingt empfohlen, als dreckig, heiss und anstrengend dargestellt pulsiert hier das Leben.
Die Strassen sind voller Menschen, Millionen ueber Millionen, wie mir scheinen. Das taegliche Leben spielt sich hier nicht abgeschottet hinter Mauern ab, nicht in Wohnungen und Haeusern, das taegliche Leben findet man ungeschont auf der Strasse. Muell, Armut, Frauen und Maenner, Essen, Toiletten und der durchdringende Klang eines nicht enden wollenden Hupkonzerts.
Mir faellt es schwer meine Eindruecke geordnet wiedergegeben, zu viel Chaos umgibt mich hier.

Morgens stehen wir meist am fruehen Mittag auf, Fruehstuecken fuer wenig Geld ein paar Rotis, trinken vielleicht einen Chai und lassen uns dann durch die Strassen treiben. Der Strom ist nicht einheitlich, schwimmt zwischen Autos und Bussen, stockt hin und wieder an Essens- und Teestaenden. Das Leben hier ist bunt: Bunt sind die Kleider der Frauen, bunt die Gerueche, bunt die Geraeusche. Auf dem Boden haeuft sich der Abfall und die weggeworfenen Teetassen. Die Vielfalt der Stadt ist enorm. Ich koennte mich von einem Restaurant zum naechsten treiben lassen, in den veschiedensten Geschmaeckern schwelgen. Mir begegnen Menschen aller Staende, gruessen manchmal, versuchen mir ihre Waren zu verkaufen oder fragen mich einfach wie es mir geht, aus welchem Land ich komme und verschwinden dann wieder in den Massen. Nahezu jede Religion findet sich in Kolkata wieder. Gestern besuchten wir den Tempel der hinduistischen Goettin Kali, der Schutzgoettin der Stadt, dessen Tempel als einer der heiligsten im Lande gilt. Wir liessen uns von einem Priester abzocken, uns von der Masse der betenden Glaeubigen durch die Hallen tragen, waren ueberwaeltigt von dem pulsierenden, lautem Leben, dass sich in diesem Tempel ballte und fanden uns wenige Minuten spaeter in einem der Haueser von Mutter Theresa wieder, in dem die Aermsten beim Sterben begleitet werden und trotzdem eine andaechtige Friedfertigkeit herrscht. Hier arbeiten auch hunderte Freiwillige aus der ganzen Welt, fuer einige Tage oder fuer Monate.
Heute fanden wir uns dann per Zufall vor einer Moschee wieder, ein beeindruckendes Bauwerk, in das wir uns nicht hineinwagten.

Kolkata ist schwer zu beschreiben und ich werde es ausgeruhter noch einmal versuchen.
Von den Briten erst zur Hauptstadt gemacht, dann aber zugunsten Bombays wieder fallen gelassen, findet man hier noch eine Menge Parks und alte Kolonialgebilde, die sogar indische Touristen anlocken. Seit 1977 dann unter kommunistischer Regierung bietet Kolkata als Hauptstadt Westbengalens, eine Ahnung davon wie Vielfaeltig und unmoeglich zu fassen der Rest des Kontinents ist.
Im Vergleich zu Laos bildet Kolkata auf jeden Fall einen krassen Gegensatz. Gewuehl, Hektik, Laerm, Vielfalt, Menschen, Menschen, Menschen....

Mir gefaellt diese Stadt, und sie strengt mich auch an, doch verschafft sie mir vor allem Lust auf mehr Indien. In den naechsten Tagen wollen wir uns nach Norden aufmachen. Darhjeeling ist das Ziel, die Stadt des Tees...wenn wir Glueck haben treffen wir morgen allerdings noch ein Mitglied der sozialistischen Partei.

Also, wenn meine Gedanken geordneter sind versuche ich Kolkata noch einmal zu fassen und ueber Memorial Building, Mother Teresa, Kolkata Kino, Strassenbahnen, Parks, Fussballfelder, Chai, Metros und vieles mehr zu berichten.

Ein paar Fotos (Paul)

Und nun eine kurze Foto-Zusammenfassung von dem ersten Teil der Reise. Ausfuehrlicher geht es leider nicht wirklich aufgrund von mangelnder Geduld beim Hochladen. Mehr dann in Deutschland...Unsere Schulmaedchen
Mit dem whiteboard beim Trampen
An Songhklas Strand verschnaufen
Strand und Oel, der Reichtum Malaysias
Kuala Lumpurs Twintower
Und ploetzlich fanden wir uns im Gewuehl indischer Strassen wieder...

Samstag, 24. Juli 2010

Rueckblick: Malaysia (Luisa)

Paul und ich gehen fuer ein paar Tage verschiedene Wege und ich fahre mit einem anderen Reisegefaehrten in die malaysische Hafenstadt Georgetown, wo wir voll und ganz von der exotischen Vielfalt der malaysischen Ethnien umschmeichelt werden. Bunte Saris und Kopftuecher wehen im Seewind vor heruntergekommenen Kolonialstilkaschemmen, sc hmale Chinesinnen trippeln im Minirock zur Arbeit vorbei an Shivatempeln, Moscheen und Geisterschreinen. All die Farben widerstreiten und lassen die Unterschiede zwischen den Bevoelkerungsgruppen und die tiefen Konflikte des Landes erahnen - und doch mischen sie sich zu einer Art offenen Buntheit, die ihres Gleichen sucht.

Dann geht es weiter Richtung Hauptstadt; wir naehern uns Stunde um Stunde mehr dem Aequator, der heiss im Sueden pulsiert und die Natur in seinem Dunstkreis noch wilder und ueppiger macht. Kuala Lumpur dann ist die Steigerung der Gegensaetze zwischen Natur und Technik - eine hochmoderne Stadt inmitten einer Umwelt wuchernder, unfassbar wilder Natur. Klimaanlagen haben die Stadt bezwungen und (wenn man Thailand gewoehnt ist!) auf erstaunliche Anonymitaet heruntergekuehlt, Unterfuehrungen durchwuehlen die Erde, Skytrains durchpfluegen die Luft, sogar der Himmel ist bewohnt in strahlenden Wolkenkratzern... am Fusse jener wir auch wieder auf Paul treffen.
Durch sprudelndes schwarzgoldenes Oel hat es Kuala Lumpur geschafft, seine Natur zu domestizieren, stellen wir fest... Doch auch hier gibt es magische Orte, an denen sich Lianen um Glaspalaeste zu ranken und chinesische Drachen an roten Lampions zu schaukeln scheinen...

Am Freitag ging unser Flug nach Kalkutta, welches mit der vollen Dosis eines indischen Hupkonzerts und tausend neuen Eindruecken auf uns wartete.

Kolkatta

Nur eine kurze Notiz:
Gestern sind wir in Kolkatta gelandet. Nach der sterilen Ruhe von Kuala Lumpur, sauberen Strassen, gewaltigen Glaspalaesten hat uns nun das Leben wieder. Ich habe das Gefuehl, von Milliarden von Menschen umgeben zu sein. Die Stadt scheint an jedem Flecken zu leben, in aller Oeffentlichkeit und ohne Schamgefuehl.
In naechster Zeit werde ich noch ausfuehrlicher berichten und bei Gelegenheit auch endlich Fotos hochladen.
Nun lasse ich mich erst einmal durch die Strassen treiben und geniesse indisches Essen und das Gefuehl der totalen Anonnymitaet.

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