Was nach Pakistan geschah (Luisa)

Seit jener Nacht, in der ich mich mit einem ungueltigen Flugticket in der Hand fiebernd und mit Magenproblemen alleine an einem pakistanischen Flughafen wiederfand, ist einiges passiert.
Meine Gastgeberfamilie fuhr mich nach Hause und schaffte es meisterhaft, mich mit selbstgebrauten Huehnerbruehen (wahnsinn, dass ich das getrunken habe), unermuedlichem Zuspruch und vielen bunten Pillen vom Doktor gesundzupflegen.

Lahore

(Kaum gesund, wurde auch wieder die Stadt erkundet. Lahore mit seinen Mogulbauten.... eine Stadt mit bewegter Geschichte. Das Bild ist verschwommen, weil meine Kamera zuvor im Regen auf dem Ruecksitz von Yasirs Moped mit mir durch die unfassbar ueberfuellten Strassen brausen musste)

Das aenderte nichts daran, dass ich von Flut und verfluchten Flugtickets 'eingeschlossen' in Pakistan rumhing und mein Visum sich drohend dem Ende zuneigte. Zwei Versuche, einen neuen Flug zu buchen, schlugen fehl - beim ersten, der Absturzlinie Blueair, erfuhr man nach der Buchung im Kleingedruckten, dass der Kreditkarteninhaber persoenlich am Flughafen sein muesse... nun, Pauls Vater konnte leider wirklich nicht zum Flughafen von Lahore kommen. Also mit Muehe und Not gecancelt und einen Flug von Kuwait nach Mashad, Iran gebucht... dumm nur, dass Jazeera Airways den Verbindungsflug Lahore-Kuwait nicht buchte, weil sie von Pakistan keine Kreditkartenzahlungen im Internet annehmen.

Ich war also im stolzen Besitz eines Fluges von Kuwait in den Iran, aber wie sollte ich DA hin kommen? Im Reisebuero haette man den Hinflug buchen koennen - diese hatten allerdings im ganzen Land die Laeden dicht, weil das hoechste aller Feste anstand - Eid, das Ende des Ramadans. Nach einer endlosen Reisebuero-Such-Odyssee und einem schoenen Abschieds-Fastenbrechen-Abendessen mit meinen Wohltaetern Yasir und Tariq (die mich unermuedlich durch die Gegend kutschierten und alles taten, um mir zu helfen) fand ich mich erneut nachts an Lahores Flughafen wieder. Und zwar drei Stunden vor Abflug ein ueberteuertes Ticket nach Kuwait erstehend, direkt am Schalter... wie im Film.


Abschiedsessen mit Tariq und Yasir

(Abschiedsessen mit Yasir und Tariq)

Kurz vor Ende meines Pakistanvisums, am Vorabend des Zuckerfestes, schaffte ich es also doch noch aus dem Land und beendete damit die seltsame Pechstraene, die die letzten Tage so seltsam beherrscht hatte.

Aber jetzt fing alles doppelt bluehend neu an. Nach einem siebenstuendigen Nickerchen am Kuwaiter Flughafen und lustigen Gespraechen mit mich neugierig aus rabenhaften Burkas beaeugenden Oelscheich-Ehefrauen betrete ich des Abends die Pforten Persiens in Form des Flughafenausgangs der Pilgerstadt Mashad. Und das Land der Zauberlampen und fliegenden Teppiche ueberschuettet mich auch sogleich mit seinen Wundern.
Eine Flughafenangestellte schenkt mir zwei Bustickets in die Stadt. 'Zwei sind besser als eins', sagte sie. Wildfremde Menschen fragen freundlich, ob sie mir helfen koennen, nur weil ich auf der Strasse stehe, fremd aussehe und fragend gucke.

Und auf der Suche nach einer guenstigen Herberge treffe ich dann schon wieder auf einen Engel: Masoud, ein witziger Typ mit der Faehigkeit, mir mit Zeichensprache und drei Signalwoertern Englisch alles mitzuteilen, kann mich nicht in seinem ueberfuellten Hotel aufnehmen. Uebergluecklich quartiert er mich deswegen im perserteppich-beflauschten Haus seiner Familie ein. Von da an werde mit iranischen Koestlichkeiten vollgestopft und zu herrlichen Familientreffen mitgeschleppt, bei denen alle ein wenig aufgeregt im Kreis um mich herumsitzen, mich mit grossen, herzlichen Augen ansehen und uebermuetige Fragen stellen. Und immer wieder betont jeder, wie gluecklich alle seien, dass man hier Gast ist. 'Ein Gast ist ein Geschenk des Himmels' sagt der Koran - und Iranische Gastfreundschaft ist tatsaechlich mit kaum etwas zu vergleichen. Ausser vielleicht mit pakistanischer... :)


Iranische Gaeste-Begeisterung

(Meine iranische Familie :))


Mit Mashad bin ich auch, zack!, direkt am heiligsten Ort des schiitischen Irans.
Schiiten sehen zwoelf 'Imame' (allesamt Nachfahren der Prophetentochter Fatimah und ihres Mannes Ali) in der Nachfolge Mohammeds, die die islamische Gemeinschaft fuehrten und den Koran interpretierten.
Geschichtlich handelt es sich um einen Machtkampf zwischen den Instanzen Imam und Kalif; ein politischer Streit, der in die Spaltung der Muslime in Schiiten und Sunniten uferte. Um jeden Imam ranken sich Geschichten und Mythen, die die schiitische Glaubensgemeinschaft in bunt zelebrierten Feiertagen aufleben laesst.

Die meisten Imame liegen im Irak und in Afghanistan begraben... doch einer, der achte, liegt in Mashad: Imam Reza. Und bekommen hat einen ueberweltlich schoenen Komplex von Moscheen, Schreinen und Toren zum Grabmal. Tausende Schiiten aus aller Herren Laender pilgern jaehrlich zu seinem Grab, und so kaufte auch ich mir einen Chador, bedeckte meine nackten Fuesse und zog so rabenschwarz dem Dresscode gehorchend zu den architektonischen Wundern.

Schwarz aergerte ich mich auch, als meine beiden weiblichen, mir aufgezwungenen 'Auslaender-Tourguides' mich fragten, ob ich Muslimin sei und ich, der Wahrheit verfallen, nein antwortete - Nichtmuslime werden nicht in die heiligsten Bereiche des Komplexes, zum eigentlichen Schrein vorgelassen. Verworrene Geschichten, ich wolle bald zum Islam uebertreten, halfen nicht, und so begnuegte ich mich mit einem Blick von aussen - der allein schon umwerfend war und viel Einblick verschaffte.


der heiligste Ort Irans

(Der heiligste Ort Irans... das Bild ist aus google geklaut, denn ich durfte keine Fotos machen)


Am Abend ging es mit Masoud und seinen wunderbaren Kumpels Vahid und Saeed in eines der zahlreichen bunten Fastfoodrestaurants, die iranische Strassen abends beleuchten wie riesige Laternen; wobei mein Nicht-Fleischkonsum wie immer grosse Belustigung hervorrief.

Nichtsahnend sitzen wir und essen, als auf einmal die Polizei vor der Tuer steht - und ehe wir uns versehen werden wir in ein Polizeiauto gezerrt und auf die Wache gebracht, wo stirnrunzelnde Polizisten den Jungs unverstaendliche Fragen stellen... ich sitze da und verstehe die Welt nicht mehr. Was geht da bitte vor sich? Sind alle verrueckt geworden?

Langsam daemmert es mir, dass es mit den abstrusen Gesetzen im die Scharia befolgenden iranischen Staat zu tun hat. Ein Maedchen mit drei Jungs alleine im Restaurant? Das geht doch nicht! Ein Anwesender im Fastfoodladen scheint anonym die Polizei gerufen zu haben, dass da unzuechtige Dinge vor sich gehen. Ha! Eine Auslaenderin isst zu abend mit drei Iranern! Das gereicht der Polizei, um uns bis 2 Uhr nachts auf der Wache festzuhalten. Zum Glueck koennen wir alle verheimlichen, dass ich bei Masoud zu Hause uebernachte... sonst haette es wohl noch mehr Probleme gegeben. Mir, dem angeblichen 'Opfer', wird paradoxerweise keine einzige Frage gestellt, denn hier kann natuerlich niemand Englisch.


So wird nur Masouds Tante von den Polizisten verpflichtet, mich vor den boesen boesen Jungs zu beschuetzen und wir muessen allesamt am naechsten Tag vor einem iranischen Mini-Gericht strammstehen, wo ein ernst dreinblickender Richter uns mit buschigen Augenbrauen wieder alle nacheinander verhoert.

'Only for your security' spricht er mir vaeterlich zu. Danke, an einem Sicherheitsbeduerfnis dieser Art mangelt es mir, denke ich. Ich solle mich demnaechst etwas bedeckter anziehen, dann wuerden mir Belaestigungen in Zukunft erspart bleiben. 'Welche Belaestigungen?' denke ich. Die Menschen im Iran waren die respektvollsten der gesamten Reise. Im uebrigen trage ich an diesem Tag ueber einer langen Hose ein den Vorschriften entsprechendes Hemd, welches mir bis fast zu den Knien schlabbert, gekroent von einem schwarzen, alle Haare verdeckenden Kopftuch. Nur ein Stueck meiner Unterarme ist unbedeckt.
Er zeigt auf eine Frau im Chador, die ihren Schleier bis tief in ihr Gesicht gezogen hat. 'So zum Beispiel wirst du keine Probleme haben.' - 'Vielen Dank, ich habe gar keine Probleme... nur dass ich meine Reisezeit auf der Polizeistation verbringen muss' - den Satz kann ich mir nicht verkneifen.


Kurz bevor die Polizei kam

(Im Restaurant mit meinen neuen Freunden... kurz bevor die Polizei in der Tuer stand :))


Am Ende werden alle freigesprochen und es gibt keinen Aerger mehr - ausser, dass die Polizisten aus mir unerklaerlichen Gruenden meinen Passport fuer 24 Stunden behalten, sodass sich meine Abreise aus Mashhad und damit mein Zusammentreffen mit Paul und Jakob um einen Tag verzoegert.

Der Vorfall zeigt die unfassbare Widerspruechlichkeit, die zwischen der iranischen Bevoelkerung und der Regierung mit ihren konservativen Gesetzen klafft. Menschen in Tehran brauen heimlich Schnaps im Keller und gehen auf Untergrund-Rockkonzerte, Menschen in Esfahan reizen den Dresscode bis an die Grenzen aus und Frauen in Mashhad nehmen, wenn sie ein Haus betreten, sofort den Schleier ab und huepfen im Minirock herum.

Und im Fernsehen sahen sahen wir spassige Relikte der iranischen Gesellschaft vor der islamischen Revolution:
Alte Musikvideos aus den Siebzigern zeigen tanzende Maedchen im Flatterrock und schnurrbaertig Schnapsglaeser balancierenden, ueberkandidelten Saengern - jene Art der offenen Lebensfreude, die wenige Jahre spaeter von einem Tag auf den anderen unter hoechste Strafen gestellt wurde.

In keinem Land der Reise habe ich mich bisher den Menschen so aehnlich, nah und verbunden gefuehlt - und in keinem Land habe ich so viel Augenverdrehen und Kopfschuetteln gesehen, sobald 'das System' zur Sprache kommt.

Regierung und Menschen, das sind im Iran zwei Welten, die nebeneinander existieren. Wenige (oft dank der islamischen Revolution sozial aufgestiegene, extrem religioese Kreise) versuchen seit 30 Jahren, die Masse zu kontrollieren... und die Masse spurt nach aussen und bockt heimlich. Zumindest die Intellektuellen. Irgendwann kommt der grosse Knall... und dann hoffentlich mit moeglichst wenig Blutvergiessen.

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