Bodghaya - Ein erleuchteter Ort (?)

Nach unmenschlicher Kaelte, verwunschenen Waeldern und einem herzerwaermenden Ost-Asien Gefuehl trieb es uns wieder ins Tal.
Indien ist ein Hort schwer zu beschreibender Mystik, ein buntes unmoeglich zu durchrdringendes Gemisch aus Religion, Sagen, Fabeln, Vielfalt und Leben. Der Hinduismus, die groesste Religion in Indien, besitzt einen Goetterkanon von 30 Millionen Gottheiten. Jeder Mensch kann sich selbst ueberlegen welche Gottheit er wie anbetet. Religion, Kultur und Leben verschmelzen dabei zu einem scheinbar irrationalen Brei, der wohl einen Grund fuer die Anziehung bietet, die das Land auf den Westen ausuebt.
Aus dieser magischen Welt, von Wiedergeburt, Reinkarnationen und Goettern ist vor knapp 2500 Jahren eine Philosphie hervorgegangen, die das Leben als Leid sieht und einen Pfad vorgibt, dem Kreis von Geburt und Widergeburt zu entkommen: der Buddhismus.

Siddharta Gautama, ein indischer Prinz wandelte zu dieser Zeit durch eine Provinz, die nun Indiens Armenhaus darstellt. Im kleineren (ich wage nicht einen indischen Ort wirklich klein zu nennen) Bodghaya, in Bihar fand er schlussendlich unter einem Bodhi Baum die Erleuchtung. Seither ist dieser Ort der wohl heiligste des Buddhismus und unzaehlige vor allem asiatische Pilgerer kommen jedes Jahr hierher.

Von Darjeeling aus erkaempften wir uns mit harten Bandagen einen Platz im Schlafwagenabteil. Reisfelder ueber Reisfelder zogen an uns vorbei. Es erschien mir seltsam in diesem Land Hunger zu vermuten, doch indischer Reis wird eben nicht nur fuer die eigene Bevoelkerung verwendet. Europa zahlt einfach besser.
In den fruehesten Morgenstunden wurden wir aus dem Zug geschmissen. In Patna erwartete unsere mueden Geister ein famoses Hupkonzert, dass uns schnell in den naechsten Zug nach Gaya trieb.
Gaya war der eigentliche Grund unseres Trips zu seinem kleinen Bruder, Bodhgaya. Angezogen von der Mystik des Namens (Gaya, die Erde) hatten wir kurzerhand entschlossen dort eine Pause einzulegen. Die Gedanken noch in anderen Sphaeren wurden wir bei unserer Ankunft auf den Boden der Tatsachen zurueckgeholt. Gestank, Muell und Armut erwartete uns. Baeche, nach Pisse stinkend, giftiges Plastik vor sich hertragend, liessen mich meine Flip Flops verwuenschen. Fliegen, Fliegen und noch mehr Fliegen ueberzogen den Platz. Teetrinkend versuchten wir einen Taxifahrer zu einem angemessenen Preis zu bewegen, letzendlich vergebens, doch ich war froh weiter nach Bodghaya zu erfahren. Ich muss gestehen, dieser Ort hatte mich erschuettert und war wohl das krasseste was ich bisher in Indien gesehen hatte.
Bodghaya stellte keine Besserung dar - bis uns das Taxi vor den Pforten des Haupttempels hinauswarf. Die Stimmung aenderte sich schlagartig. Sorgsam geputzte Fliesen boten tiefsinnig dreinblickenden Moenche Boden, Souvenierverkaeufer versuchten CDs mit Mediationsmusik an den Mann zu bringen, Restaurants verkauften europaeisches und ost-asiatisches Essen. Wie eine kleine Insel kam uns der Platz mit seinen Laternen vor.

Unser Couchsurfer, ein junger Student namens Gautama,brachte uns fort von dieser ruhigen Insel in sein sauberes, relativ grosses Haus, das er zusammen mit seiner Mutter und seinen putzenden und kochenden Schwestern bewohnte.
Am Abend fuehrte er uns in den Tempel, den sie den "Maintemple" nennen. Zu Ehren Buddhas wurde er an der Stelle der Erleuchtung gebaut und strahlte eine Ruhe und Faszination aus, der sich auch der Backstreetboys und Britney Spears begeisterte Gautam nicht entziehen konnte. Betende Moenche, vor der Buddha Statue, ein wuchernder Bodhi Baum, der als Ableger des "Originals" gilt.

Nach langer, erschoepfter Nachtruhe machten wir uns am naechsten Tag auf, die restlichen Tempel des Ortes zu erkunden. Aufgrund der Geschichte dieses Ortes, liess sich keine groessere buddhistische Glaubensgemeinschaft nehmen, einen eigenen Tempel im Umkreis des Ersten zu errichten. Vom chinesischen zum Buthanischen, mit einem kurzen Abstecher zum Bengalischen, ueber den japanischen, tibetischen bis hin zum Thailaendischen Tempel erlebten wir die unterschiedlichsten Interpretationen der buddhistischen Lehre. Verschiedenste Bauarten, von praechtig vergoldet bis hin zur schlichten Einfachheit zogen mich in ihren Bann. Doch ein kleiner kritischer Geist in mir liess mich diese Erhabenheit nicht ohne Hintergedanken geniessen.
Wie kann es sein, fragte ich mich, dass so viel Armut, so viel Schmutz, so viel Hoffnungslosigkeit in dem kleinen Ort herrscht, wenn die Glaubensgemeinschaften gewaltige Tempelbauten errichten.
Wie kann es sein, fragte ich mich, dass nur die wenigsten Kinder und oft nur mit Hilfe einer Spendenabhaengigen Organisation zur Schule gehen koennen, wenn jedes Jahr, laut Gautam, unzaehlige Touristen den Ort mit Geld durchspuelen. Woher kommt dieser Verfall, wenn der Dailai Lama, jener im Westen so bewunderte Moench, fast jaehrlich nach Bodghaya reist, gewaltige Statuen einweiht und sich mit Hilfsorganisationen fotographieren laesst.
Wie wuerde eine christliche eine muslimische, eine hinduistische Pilgerstaette aussehen?

Um diesem Raetsel zu folgen stiegen wir nach wenigen Tagen in den Zug, der uns ins vier Stunden entfernte Varanasi bringen sollte. Einquetscht von hunderten Menschen in einem kleinen Abteil, unter Dauerbefragung nach unserer Herkunft, unserer Namen, unseres Alters und Verweise auf die Fussballnation Deutschland, erreichten wir nach einer spannenden, anstrengenden Fahrt Varansi. Es war bereits Dunkel und alle Rikschafahrer abweisend zogen wir zu Fuss zum Guesthouse los.
Varanasi ist die heiligste Stadt des Hinduismus, am Ganges gelegen, kommen taeglich tausende Pilger hierher um sich zu waschen oder um in diesem Fluss zu sterben.
Wer hier am Ganges stirbt kommt direkt in den Himmel, so die Legende.
Wir hoerten von Verbrennungen, von orangen Gewandeten Shivaanhaengern, von der Spiritualitaet die diesen Ort durchziehen soll.

Mit dem Gedanken an etwas laengeres Verweilen bin ich gespannt auf Varanasi.
In den naechsten Tagen gibt es dann auch wieder ein paar Bilder.

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Zuletzt aktualisiert: 29. Okt, 15:02

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