Varanasi und Mutter Ganga

Nach Bodghaya und seiner buddhistischen Mystik zog es uns also weiter gen Westen. Wir verliessen Bihar und landeten in Utar Pradesh, einer Provinz, die bekannt ist durch seine Staedte Varanasi, Agra (das Taj Mahal steht dort), Allahabad und Lucknow.
Utar Pradesh war ueber Jahrhunderte unter muslimischer Herrschaft. Vor hunderten von Jahren machten sich persische Koenigreiche auf den Weg um nach Osten zu expandieren. Sie eroberten den noerdlichen Teil Indiens und erschufen auf der sprituellen Welt der dort lebenden Hindus beeindruckende Gebaeude und Stadtstrukturen. Trotz dieser muslimischen Herrscher blieb den Hindus ihr heiligster Ort : Varanasi.
Varanasi liegt am Ganges, dem gewaltigen Fluss, der Indien von Nordwesten bis hin nach ganz Osten durchzieht und als die Lebensader des Subkontinentsgilt. Dieser Fluss, so der Glaube der Hindus, fliesse direkt in den Himmel. Wenn also die Asche einer Leiche in den Fluss geworfen wird, wuerde der Geist der Person direkt in den Himmel kommen und dem Kreis aus Geburt und Wiedergeburt endgueltig endkommen.
Der Ganges spielt in der hinduistischen Mythologie aber noch eine weitere Rolle: Alle Hindus koennen sich in diesem Fluss von ihrem schlechten Karma reinwaschen. Ganga, die Mutter, die in Shiwas Haaren entspringt, reinigt das Kharma der Glaeubigen.
Varanasi ist somit eine der spirituellsten Staedte des Subkontinents. Jeder Hindu, der die Moeglichkeit bekommt, reist nach Varanasi, um dort zu Shiva, dem Zerstoerer zu beten, um die Zerstoerung von allem Boesen in seinem Leben zu bitten, und um ein wenig Gangeswasser ueber den heiligen Phallus zu giessen, der in der Mitte des goldenen Tempels im Boden eingelassen ist.

Wir verbrachten eine geschlagene Woche in Varanasi und haetten wohl noch einige Zeit laenger dableiben koennen. Wenn man sich mit dem Hinduismus auseinander setzen moechte, so ist das meiner Meinung nach der ideale Ort.
Die engen Gassen, die sich zum Flussufer hin immer mehr verzweigen und verwinkeln sind ein Hort fuer umherstreifende heilige Kuehe, langbaertige Gurus, Traeger von Toten, die die Namen der Reinkarnationen Shivas rezitierend dem Ganges endgegen laufen oder orangegewandeten Pilgerern (Orange ist die Farbe Shivas), die auf dem Weg zum goldenen Tempel sind.
Am Flussufer kann man dann Stunden damit zubringen, auf den Stufen der verschienden Ghats zu sitzen, um mit den Glaeubigen zu reden, ueber die goettliche Dreiteilung zu erfahren (Erschaffung -Brahman, Erhaltung - Vishnu, Zerstoerung - Shiva), ueber die Bedeutung, die Hanuman, der Affengott in der hinduistischen Mythologie erfaehrt (Ein Affe als Diener der Goetter) oder einfach nur dem Rauschen des gewaltigen Flusses zu lauschen. Die Stimmung dort gefiel mir. Am Himmel entlangeziehende Moewen gaben der Stadt ein wenig Meeresstimmung, die uralten Gebaeude und in den Himmel emporragenden Tempel uns Ahnung, wie es hier vor hunderten von Jahren ausgesehen haben mochte.
Vier Tage verbrachten wir nachdem wir aus unserer ersten Unterkunft ausgezogen waren, in einem ziemlich billigen Guesthouse fast direkt am Ganges gelegen. Das tolle war die Aussicht: Ausgestattet mit sieben Stockwerken konnten wir von unserem auf dem Dach platzierten Schlafsaal ueber die ganze Stadt blicken und das Leben auf den Haeuserdaechern verfolgen.

Da ich leider nicht viel Zeit habe fasse ich kurz die beiden, mich am meisten beeindruckenden Dinge zusammen (dafuer muss ich leider unseren Besuch im Affentempel, in der Uni, unser Streunen durch die Gassen und das Wissen das wir ueber den Hinduismus erfuhren, auslassen):
Zum einen war da die Zeremonie am Ganges. Es war bereits dunkel, als wir am Ganges zur uns empfohlenden Zeremonie aufmachten. Immer noch wateten Pilgerer durch die Gewaesser des Ganges und beteten, immer noch fuhren blitzlicht verursachende Touristen auf vollen Boten parallel zum Ufer.
Wir folgten den Geraeuschen und den Menschenscharen, die zum MainGhat stroemten. Dort angekommen erwartete uns ein Meer von Orange. Fasziniert dreinblickende Menschen, nach Gangeswasser riechend, blickten erwartungsvoll verzueckt zur Mitte, wo Priester standen und in uns unbekannter Sprache geradezu hypnotische Lieder sangen. Es gab einen Feuertanz und immer wieder wurde auf Rufen der Priester, deren Stimmen durch die Lautsprecher seltsam verzerrt und fremd klangen, ekstatisch in die Haende geklatscht. Es waren nicht ein paar Hunderte, sondern meiner Meinung nach tausende Menschen, die sich dort versammelt hatten und mir wurde bewusst, welch ungeheure Macht diese Priester in ihren Haenden hielten. Sie riefen nur : klatscht zu Ehren Shivas, doch was wenn sie, verbrennt alle Moscheen in dieser Stadt, gerufen haetten?
Vorher hatte ich das Gefuel, in dieser Religion zum ersten Mal eine total persoenliche individuelle gefunden zu haben. Diese Veranstaltung belehrte mich eines besseren.
Das zweite Beeindruckende, auch mit diesen Gedanken zusammenhaengende war naemlich die unglaubliche Polizeipraesenz, die sich um den heiligen Tempel aufbaute. Nahezu an jeder Ecke sass ein Polizist mit Gewehr und beobachtete das Treiben kritisch. Als wir einen von ihnen fragten, wie man zu der grossen weissen Moschee gelangen koenne erklaerte er uns nur, dass es "not good" sei und wir dort nicht hingehen sollten. Zwei Englaenderinnen erzaehlten uns, dass es in Agra, wo sie vorher gewesen waren, zu Unruhen gekommen war und kein Taxifaher sie zum Bahnhof bringen wollte. Der Grund: Ein Teil der Unuruhen richtete sich gegen Auslaender und ein Tuk Tuk mit Auslaendern im Gepaeck koennte in boese Schwierigkeiten geraten.
Nun, gleichermassen trafen wir jedoch auch wieder eine Menge ungemein netter Menschen, mit denen es sich wunderbar plaudern liess.

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